Guten Rutsch und frohes neues Jahr

[Gradus]

Sorry Tina, ich wollte Dir und all den anderen, die berechtigterweise ihre Stimmen erheben und Taten anstelle von Worten forden, nicht zu nahe treten.
Ich dachte dabei eher an die Flut von Nachrichten, von denen wir alle überrollt werden. Kriege, Hunger, Klima, Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Amokläufe, Mord und Totschlag und was sonnst noch alles täglich auf uns einprasselt.
Wäre doch schön, wenn wenigstens manchmal auch ein paar gute Nachrichten darunter wären. Die gibt es doch sicherlich auch. Die sind aber leider, leider nicht so quotenwirksam, wie die Schlechten. Wen interessiert es schon, wenn irgendwo auf der Welt etwas Gutes passiert?
Dabei wäre es doch wichtig auch davon zu erzählen, oder man hält es selbst mit dem guten alten Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es." Das muss doch gar nichts Riesengrosses sein. Die kleinen guten Taten im Alltag, bewirken doch auch etwas. Und man bekommt dafür auch etwas zurück.

Ich war vor Weihnachten - mal wieder - beim Arzt. Volles Wartezimmer und ich alter Knochen hatte doch tatsächlich den letzten freien Sitzplatz ergattert. Da kam eine ältere Dame - also ich meine älter als ich und zwar viel älter mit einer Gehhilfe ins Wartezimmer und...

...keine Sau ist aufgestanden, obwohl sie wirklich herzerweichend in die Runde geschaut hat. Da hab ich halt meinen alten Hintern vom Stuhl bewegt und ihr den Stuhl hingeschoben, ihre Geh-Hilfe zur Seite und mich an die Fensterbank gestellt.
Der Rest - vom Alter her gut und gerne zwanzig, dreissig Jahre jünger als ich und noch ein paar Jahr(zehnt)e jünger als die alte Dame - ist einfach auf seinen vier Buchstaben sitzen geblieben und hat auf Smartphone, Zeitschrift oder einfach Löcher in die Luft geglotzt.
Der dankbare Blick und ein ganz leises: "Das wäre doch nicht nötig gewesen." waren mehr als genug für mich. Und ich hab doch tatsächlich das eine oder andere betretene Gesicht in der Runde gesehen...

...nur aufgestanden ist trotzdem keiner. Als ich dann aufgerufen wurde, habe ich die Sprechstundenhilfe gebeten, der alten Dame die Geh-Hilfe zu bringen, wenn sie dran ist. Sie hat kurz gezuckt, mich mit grossen Augen angesehen und dann gelächelt und kurz genickt. "Aber natürlich, danke." Und mein Tag war zum zweiten Mal an diesem Vormittag ein richtig guter Tag.